Geselligkeit auf Schwäbisch: Die Besen-Serie
Stuttgarte Wochenblatt 22.01.2009 von
Karin Ait Atmane
Das Schild zeigt um die Hausecke, die Treppenstufen runter. Dann geht`s
durch die Tür und einen Gang bis zum Schankraum: So oder so ähnlich
sieht der Zugang zur Besenwirtschaft öfter mal aus. Sie dürfen
nur 16 Wochen im Jahr eigenen Wein ausschenken und höchstens 40
Leute in ihrem Gastraum aufnehmen. Und auch wenn heute so gut wie nirgends
mehr die Wohnstube leer geräumt wird, fühlt man sich doch
noch immer ein bisschen wie bei anderen zu Hause.
UNTERTÜRKHEIM - Der "Kellerbesen" von Gerd und Günter
Kitzele in der Hindelanger Straße 9 hat unbestreitbar privaten
Charakter. Schon um 1935 habe seine Großmutter einen Besen betrieben,
schätzt Senior Günter Kitzele. Nach dem Krieg haben seine
Eltern 1951 die mit dem Holzofen beheizte Stube ausgeräumt, "damit
die Leute reinhocken konnten." 1964 zogen sie in den inzwischen ausgebauten
Keller um; an den ersten Gast ("Der kam morgens um elf hier rein")
erinnert sich Günter Kitzele noch heute.
Die Besen-Serie (Teil 1)
Zusammen mit seinem Sohn Gerd schmeißt er jetzt den Laden: eine
echte Männerwirtschaft. Kurz vor drei am Samstagnachmittag werkelt
der "Vadder" in der Küche, während der Sohn im Gastraum
die Stühle zurechtrückt. Und schon treffen die ersten Gäste
ein. "Sind wir zu früh?", fragen Heidi und Martin Hermann. Die
beiden Esslinger sind von Rüdern über den Rotenberg bis nach
Untertürkheim marschiert, denn Heidi Hermann will nächste
Woche ihre Besucher aus Bayern mit auf Tour nehmen: "Die haben gar
keine Besenwirtschaften bei sich zu Hause." Zu früh sind sie nicht,
Peitschenstecken und Bratwurst, Rollbraten und Vesperteller warten
schon, ebenso wie natürlich der Wein: die typischen Besen-Klassiker
Trollinger und Riesling.
Am Kellerfenster sieht man die Beine der neu Ankommenden vorbeilaufen,
soeben trifft das nächste Paar ein. Ruth und Rolf Kopp fragen,
ob sie sich dazusetzen dürfen. "Das muss man machen, sonst kann
man ja daheim bleiben!", sagt Rolf Kopp. Das Gespräch am Tisch
kommt gleich in Gang, bald schon ist der erste gemeinsame Bekannte
entdeckt. Die Welt ist klein. Früher gab"s im Besen weder Sprudel
noch Saft, erinnert sich Günter Kitzele: "Da haben sie nur Wein
getrunken", und das nicht wenig. Wer ein Glas Wasser brauchte, hat
verschämt in der Küche danach gefragt. Die Gäste seien überwiegend
zwischen 20 und 30 Jahre alt gewesen, halt noch unverheiratet.
Heute kommt ein gemischtes Publikum, Rentner sind stark vertreten.
Aber auch jüngere Leute gehen noch gern in den Besen, zum Beispiel
Frank Gugeler und seine Frau Rebecca Kästner. Was sie lockt? "Der
gute Wein", sagt Gugeler, aber auch die Unterhaltung und die Geselligkeit,
zu der bei Kitzele Junior-Wirt Gerd seinen Teil beitrage. "Man hockt
sich an den Tisch und jeder redet mit jedem" - das gefällt auch
Rebecca Kästner, die aus ihrer Heimat Thüringen so etwas
wie Besenwirtschaften gar nicht kennt.