Am Karfreitag lädt die italienische Gemeinde zur Prozession
An Karfreitag trägt Maurizio Resta sein Kreuz durch Cannstatt. Die italienische Mission spielt den Leidensweg Jesu nach. Die Gemeinde hat schon im vergangenen Jahr das 25-Jahr-Jubiläum der Prozession verkündet. Allerdings versehentlich - diesmal erst ist es soweit.
Von Nicole Höfle
Maurizio Resta lässt sich jedes Jahr vor Ostern die Haare wachsen und rasiert sich nicht mehr. Mit den längeren Haaren verändere sich auch der Mann, versichern seine Mitspieler. Er werde Jesus immer ähnlicher. "Das ist die optimale Besetzung", schwärmt Lida Cussigh, die selbst seit 25 Jahren an der Karfreitagsprozession der katholischen italienischen Mission mitwirkt. Neun Jesus-Darsteller hat es in den vergangenen 25 Jahren gegeben - und einen krankheitsbedingten Ausfall. Einen Tag vor der Aufführung lag der Hauptdarsteller mit Fieberschüben im Bett, Ersatz musste her. "Wir haben immer eine Lösung gefunden", sagt Lida Cussigh.
Angefangen haben Ende der 70er Jahre 20 Männer und Frauen, inzwischen ist die Truppe, die den Leidensweg Christi in Szene setzt, auf 70 Darsteller angewachsen. Im ersten Jahr waren es 600 Besucher, im vergangenen Jahr 6000. Anfangs haben Außenstehende den Text der Schauspieler gesprochen, inzwischen haben alle Darsteller ein Mikrofon. Ein paar Jahre lang wurden Fragen von Kindern ins Geschehen eingeflochten, dann wieder wurden Textpassagen umgeschrieben. Die Idee ist die gleiche geblieben: "Es geht uns nicht um eine spektakuläre Inszenierung, sondern schlicht darum, unseren Glauben zu zeigen", sagt der 66 Jahre alte Giacinto Cagnetta. Die Prozession sei kein Unterhaltungsprogramm, sondern solle die Glaubensbotschaft vermitteln. Zum 25-Jahr-Jubiläum gibt es denn auch nur drei frisch gestrichene Holzkreuze und den Besuch eines Bischofs.
Cagnetta ist seit 1979 dabei: In der ersten Zeit hat er während der Prozession gebetet und gesungen, seit ein paar Jahren ist er für die Tontechnik verantwortlich. Die Idee ist vor 25 Jahren in kleiner Runde geboren worden: "Wir alle kannten Prozessionen aus unserer Heimat", erzählt der 66-Jährige. Dass die deutschen Behörden das Schauspiel genehmigen würden, daran dachte keiner.
Auch Ignazio Ciminnisi kennt die Karfreitagsprozessionen aus seiner Kindheit: In dem kleinen Ort Agrigento in Sizilien werden jedes Jahr an Ostern kleine Statuen durch die Straßen getragen: Sehr ergreifend sei das, erzählt der 50 Jahre alte Arbeiter. Trotzdem war er seit einem Vierteljahrhun- dert an Karfreitag nicht mehr in seinem Heimatort: "Wir haben unsere eigene Prozession, da fährt über Ostern niemand nach Hause." Cimminisi kümmert sich um die Kostüme: Die einfachen sind von den Frauen selbst geschneidert, die prunk- volleren vom Staatstheater geliehen.
Auch das Gewand des Zenturios stammt aus dem Fundus des Staatstheaters. Der 60 Jahre alte Danilo Martinis trägt es seit acht Jahren, mit einer Handvoll Soldaten eskortiert er den Weg zur Kreuzigung. Auch er ist seit einem Vierteljahrhundert dabei, seit acht Jahren gibt er den Zenturio: "Der entschuldigt sich für das Verhalten der Römer, das macht ihn mir sympathisch." Seit Tagen ist Martinis damit beschäftigt, den neuesten Text auswendig zu lernen. "Meine größte Angst ist immer, hängen zu bleiben."
Die meisten Laiendarsteller behalten ihre Rollen über Jahre - nur einmal haben zwei früher als gedacht aufgegeben. Die Jugendlichen hatten die beiden Räuber gespielt, die mit Jesus gekreuzigt werden: "An diesem Karfreitag hat es fürchterlich geschneit. Als wir die beiden vom Kreuz geholt haben, waren sie blau angelaufen", erinnert sich Lida Cussigh und versichert: "Die Jungen hatten nachher nicht einmal eine Erkältung." Seither aber werden die Darsteller, die ans Kreuz müssen, mit einer Wärmesalbe eingerieben - wenn die Meteorologen tiefe Temperaturen melden.