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ZERSTÖRUNG UND KINDERLANDVERSCHICKUNG IN STUTTGART
Kurz vor Fliegerangriff wurden Kinder umquartiert

Untertürkheimer Zeitung 26.11.2013

ROTENBERG: Heute vor 70 Jahren: morgens Kinderlandverschickung,
abends Bombenhagel überm Neckartal

1943
Die Rotenberger Jahrgänge 1936 bis 1939 stellten sich nach Ende des Weltkriegs zum Klassenfoto
mit Lehrer Gottlieb Kill auf. 18 Buben und Mädchen waren während der Kriegszeit im Hohenlohischen untergebracht. Foto: Archiv Berner

Den 26. November 1943 werden einige ältere Rotenberger nie vergessen. Ein schicksalhafter Tag. „Wegen der drohenden Fliegerangriffe wurden schulpflichtige Kinder der Geburtsjahrgänge 1929 bis 1937 an diesem trüben Tag umquartiert“, erinnert sich Günther Scheiffele. 50 junge Rotenberger fuhren morgens ins hohenlohische Obersteinach, um 20 Uhr flogen Briten Bombenangriffe gegen das Daimler-Werk und richteten verheerende Schäden in Rotenberg und Untertürkheim an. Im April 1945 kehrte sich die Lage um: Unter abenteuerlichen Umständen holten die Rotenberger ihre Kinder aus dem umkämpften Obersteinach heim.

Von Mathias Kuhn

Heute vor 70 Jahren war ein trüber Freitag. Für 50 Rotenberger (und viele Schulkinder aus Untertürkheim und Bad Cannstatt) war’s ein aufregender Tag. „Schon lange freute man sich auf die Abreise“, schrieb das damalige 12-jährige Mädchen Else Schaal - heute Brechenmacher - in ihr Tagebuch. Wegen der drohenden Fliegerangriffe hatten die Nazis die Verlegung der Stuttgarter Schulkinder in sichere Orte angeordnet. „Der Zielort war geheim“, erinnert sich Scheiffele. Der Dampfzug brachte die 50 Mädchen und Buben, mitgereiste Mütter und Lehrer Gottlieb Kill ins Hohenlohische. Für die kommenden Monate sollte Obersteinach mit seinen Ortsteilen Brachbach, Altenberg, Sandelsbronn und Zottishofen die zweite Heimat werden. Nach einer aufreibenden Quartiersverteilung lagen die Kinder bereits müde im Bett, da wurde es in ihrem Heimatort unruhig. „Die daheimgebliebenen Rotenberger waren mit ihren Gedanken noch bei den wenig Stunden zuvor verabschiedeten Schulkindern, da ahnte niemand die bevorstehende Schreckensnacht. Kein Mensch glaubte, dass sich ausgerechnet bei diesem Sauwetter feindliche Bomber bis nach Stuttgart vorwagen könnten“, so Scheiffele. Der heute 84-jährige Heinz Berner und sein 1938 geborener Vetter Hermann waren in Rotenberg geblieben, um ihren Eltern bei der Arbeit in der Landwirtschaft zu helfen. „Die Sirenen kündigten am Abend Fliegerangriffe an. Kinder und Frauen verschanzten sich in Kellern. „Wir hörten das Brummen der Flugzeuge, kurze Zeit später detonierten die ersten Spengbomben etwa auf dem Friedhof und viele Stabbomben setzten Häuser in Brand“, erinnert sich Heinz Berner. Die fliegende britische Armada hatte ein Ziel: das Daimler-Benz-Werk. 178 Bomber steuerten die Oberen Neckarvororte an. Der Einsatz dauerte von 20.25 bis 21.12 Uhr, hat Untertürkheims Ortschronist Eberhard Hahn recherchiert. 47 lange Minuten für die Menschen, die in Kellern verharrten sowie für die Flakhelfer und Rettungskräfte, die noch Schlimmeres verhindern wollten. 31 Menschen starben, 156 wurden laut einer Statistik in einem Band des Archivs der Stadt Stuttgart verwundet.

Ganze Straßenzüge zerstört

Ganze Straßenzüge waren Ruine, in Rotenberg wurden 26 Gebäude ein Raub der Flammen. „Bis ins ferne Obersteinach war der schauerliche rote Feuerschein der Brände in Stuttgart zu sehen“, erinnert sich Scheiffele. Die Angst war zermürbend. Ein Telegramm brachte am nächsten Morgen Gewissheit und Erleichterung: „Auf dem Rotenberg hat es gestern Nacht gebrannt, aber es wurde niemand verletzt.“ Die Mütter reisten heim, die „Stuttgarter Früchtle“ blieben mit Lehrer Kill, der in einem Gebäude vor Ort unterrichtete, in Obersteinach. „Das Bauerndorf kam uns wie eine friedliche Oase vor“, erinnert sich Scheiffele. Die Eltern, Verwandten und älteren Geschwister fehlten jedoch. Der wärmende Anschluss bei den meisten Obersteinacher „Pflegeeltern“ habe den Kinderseelen gut getan, so Scheiffele. Aber auch der 14 Kilometer lange Schulweg in abgelaufenen Schuhen und nassen Socken sind Heinz und Hermann Berner, die 1944 nachträglich umquartiert wurden, in Erinnerung. Da im März 1944 Rotenberg samt Kirche ein zweites Mal schwer von Bomben getroffen wurde, fand die Konfirmation der Rotenberger Kinder des Jahrgangs 1929 in der Obersteinacher Kirche statt. „Eine noble Geste“, ist Scheiffele heute noch dankbar. Diese Dankbarkeit ist auch 70 Jahre nach der Umquartierung noch spürbar. Auch dank Walter Stepper, dem ehemaligen Ortsvorsteher, blieb die Verbindung eng. Die Rotenberger - vor allem der Chor - besuchten regelmäßig ihre „zweite Heimat“, nahmen an Festen teil und luden die Obersteinacher auch nach Rotenberg ein. Dorthin waren die letzten ausquartierten „Rotenberger Früchtchen“ - auch Heinz und Hermann Berner - im April in einer „Nacht- und Nebelaktion“ zurückgekehrt. Die Situation hatte sich umgedreht: Die Front rückte auf Obersteinach zu, während in Stuttgart die alliierten Truppen bereits die zerstörte Stadt befriedeten. „Einige Väter holten uns und Lehrer Kill mit einem Lastwagen ab und brachten uns über Landwege und durch Frontlinien wieder heim“, erzählen Heinz und Hermann Berner.

1943
Bombenangriffe richteten in Untertürkheim, hier mit Blick vom „Waldhorn“
in Richtung „Rotenberger Steige“ verheerende Schäden an. Foto: Archiv Hahn

Zerstörung und Kinderlandverschickung in Stuttgart

Die Rotenberger Kinder waren nicht die einzigen, die „in Sicherheit“ gebracht wurden. Bereits nach dem ersten Fliegerangriff auf Stuttgart, die Todesopfer forderten, wurde eine „erweiterte Kinderlandverschickung“ angeordnet. Bis Juli waren allerdings erst 600 der rund 46 000 Kinder umquartiert worden. Im September wurde dann die Verlegung aller Stuttgarter Schulen angeordnet. Schließlich hatten die alliierten Bomber mehrere kriegswichtige Unternehmen im Visier. Die Bosch-Werke in den westlichen und nördlichen Stadtbezirken und die Firma Daimler-Benz in Untertürkheim. Bis zum Jahresende hatten 35 000 Schülerinnen und Schüler die Stadt verlassen.

Die Rotenberger hatten nur eine Grundschulklasse, deswegen konnten die Schüler gemeinsam mit ihrem Lehrer Kill am gleichen Ort untergebracht werden. „In Untertürkheim waren es viele Klassen, daher mussten die einzelnen Klassen in vielen Gemeinden untergebracht werden. So wurde zum Beispiel meine Klasse des Jahrgangs 1933/34 nach Waldenburg/Öhringen in Hohenlohe und die Klasse des Jahrgangs 1929/30 mit ihrem Klassenlehrer Stolz, nach Eybach bei Geislingen/Steige evakuiert“, erinnert sich Ortschronist Eberhard Hahn an seine Schulzeit in den Kriegswirren. Die Schüler seien in den jeweiligen Ortschaften von örtlich ansässigen Familien aufgenommen worden und trafen sich offiziell nur beim gemeinsamen Schulunterricht. Darüber hinaus wurden Verbindungen zu den Pflegefamilien und den Gleichaltrigen im Gastort geknüpft. „Oftmals blieben die familiären Verbindungen bis viele Jahre nach Kriegsende erhalten. „1993 besuchten wir als Jahrgang 1933/34 in Verbindung mit unserem 60er-Fest, das wir in Pfedelbach feierten, das Städtchen Waldenburg“, erzählt Ortschronist Hahn.

Seiner Erinnerung nach waren die jüngeren Schüler der Oberschule, das spätere Wirtemberg-Gymnasium, mit ihren Lehrern vorwiegend in Langenbrand im Schwarzwald untergebracht, die älteren Schüler waren auf Flak-Stellungen, unter anderem auf der Wangener Höhe und in der Nähe des heutigen KVU-Heims verteilt. Dort hatten sie Unterricht und mussten die Gegend verteidigen. Sie erlebten den verheerenden Bombenangriff von vor 70 Jahren hautnah mit. Eva Maria Zwicker-Emmel hat ihre Erlebnisse im „neuen“ Heimatbuch Untertürkheim niedergeschrieben. Die damals 12-Jährige ging ins Königin Katharina-Stift in Stuttgart, das eigentlich nach Reutlingen ausgelagert war. Doch sie wurde vor Heimweh krank und ihr Vater holte sie auf abenteuerlichen Wegen nach Untertürkheim zurück. „In der Nacht zum 26. November 1943 wurde unser Haus in der Alten Fellbacher Straße durch mehrere Brandbomben schwer getroffen. Nur Papa, der noch während des Angriffs im Bombenhagel unter Einsatz seines Lebens über die breite brennende Treppe auf den lichterloh in Flammen stehenden Dachboden stürmte, um mit Sand, Tüchern und Wasser das Feuer zu ersticken und zu retten, was zu retten war, ist es zu verdanken, dass es nicht bis auf die Grundmauern brannte. Viele Nachbarn waren in irgendeiner Weise gleich betroffen“, schreibt Erika Maria Zwicker-Emmel.

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