Stuttgarter Zeitung vom 10.7.2002

Ende August wird Stuttgarts größtes Aquarium geleert


Im Ölhafen sind die Bagger angerückt - Becken wird abgedichtet und geleert -
2003 Baubeginn für Daimler-Logistikzentrum


Mit der Idylle im Stuttgarter Ölhafen ist es jetzt endgültig vorbei.
Die Stadt hat mit den vorbereitenden Arbeiten zur Verfüllung des Beckens
begonnen, um dort ein Logistikzentrum zu bauen.
Ende August werden dann die dort noch verbliebenen Fische gefangen.

Von Jörg Nauke

Bis das Regierungspräsidium den Plan zur Verfüllung des Hafenbeckens 3 auf einer Länge von etwa 280 Metern genehmigt hatte, war es das Thema für die Stuttgarter Umweltverbände gewesen. Unbemerkt von der Öffentlichkeit sind nun, da alle Schlachten geschlagen sind, die Bagger angerückt, um den Uferbereich zu rasieren. Auch die Befürworter des Logistikzentrums haben auf eine öffentlichkeitswirksame Aktion anlässlich des Baustarts verzichtet. Man habe resigniert, sagt Gerhard Pfeifer vom Bund für Umwelt und Naturschutz. "Die Stadt hat eine große Chance vertan, sich im Neckarbereich ein Gebiet mit großem Potenzial für den Naturschutz und die Naherholung zu sichern." Die Bemühungen der öffentlichen Hand um einen Neckarpark und Olympischen Spielen am Wasser erscheinen dem Bund-Vorsitzenden vor diesem Hintergrund unglaubwürdig.

Die städtische Hafen Stuttgart GmbH stellt in dem von ihr verwalteten Industriegebiet Daimler-Chrysler ein 4,2 Hektar großes Gelände zur Verfügung. Geplant ist ein Logistikzentrum, von wo aus in Bad Cannstatt, Untertürkheim und Mettingen gefertigte Aggregate über den Wasserweg zu den Überseehäfen transportiert werden sollen. Vorgesehen ist auch eine neue Erschließung über den Bruckwiesenweg. Dadurch wird das Lindenschulviertel in Untertürkheim entlastet.

In den nächsten sechs Wochen werden die Ufer und die Wasserseite des Hafenbeckens mit Spundwänden versehen. Eine ordentlich abgedichtete Wanne ist Voraussetzung, um die Baugrube trockenzulegen. 65 000 Kubikmeter Oberflächenwasser und 130 000 Kubikmeter Grundwasser werden durch den Uhlbachkanal abgeführt. Außerdem muss noch der Schlamm, der sich in einer Stärke von knapp zwei Metern in dem 4,50 Meter tiefen Becken abgelagert hat, entfernt werden. Claus Dieter Hauck von der Planungsabteilung Neckar des Tiefbauamts geht davon aus, dass Mitte September die Grube verfüllt werde. Und im März oder April nächsten Jahres könne dann mit dem Hochbau begonnen werden.

Am Samstag, dem 31. August, werden Mitglieder des Württembergischen Anglervereins Stuttgart ihr Pachtgewässer abfischen. Der erste Vorsitzende Hans-Hermann Schock vermag nicht zu sagen, wie viele Fische bis dahin noch nichts vom Daimler-Projekt gehört haben und ihm deshalb ins Netz gehen werden, das er mit 20 Vereinskameraden durch das dann noch 80 Zentimeter tiefe Wasser ziehen wird. "Zwischen fünf Zentnern und zwei Tonnen ist alles drin", sagt Schock. Der Vereinsvorstand rechnet allerdings mit einem Riesenspektakel - im Wasser, am Ufer und in der Luft. Den Möwen und Krähen bietet sich dort zum letzten Mal ein gedeckter Tisch. Und auch für Zuschauer dürfte es interessant sein, Welse von 1,50 Meter Länge, einen Meter lange Hechte und 30 Pfund schwere Karpfen im Netz zappeln zu sehen. Im Hafenbecken schwimmen aber auch Exoten wie Schwarzbarben, die von Aquarienbesitzern ausgesetzt wurden, und Störe, die den Besitzern von Gartenteichen im Laufe der Jahre zu groß geworden sind. Schock schließt auch nicht aus, die eine oder andere Schildkröte zu fangen. Die heimischen Fische finden auf der anderen Seite der Spundwand ihre Freiheit wieder, die fremden müssen getötet und in die Tierkörperbeseitigungsanstalt gebracht werden. "Würden wir auch diese Fische freilassen, würden wir uns wegen Faunenverfälschung strafbar machen", sagt Schock. Einen Frischfischverkauf wird es an diesem Tag nicht geben. Der Anglerverein scheut den dafür notwendigen bürokratischen Hindernislauf. Stattdessen gibt es Bier und Rote vom Grill.

Aktualisiert: 11.07.2002, 06:34 Uhr


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