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(27) Kindergarten - Schiff von 1990
Luginsland, Lotharstr. 24

Standort-Untertürkheim: Lotharstraße 24 - Tel: 33 75 44 ( Karte => Nr. 27 )
Architekt: Behnisch & Partner - Günter Behnisch
Schiff im Weinberg: Behnisch
Lotharstraße 24 - städt. Kindergarten - erbaut 1990 - Fotos/Architekt: Günter Behnisch

Schiff-Modell: BehnischAwards:Kindergarten Ship
Stuttgart-Luginsland, Germany 1990

1992 German Wood Construction
Prize (Award of Distinction)

1991 Baden-Württemberg Wood
Construction Prize
1991 Hugo Häring Prize
1990 Baden-Württemberg BDA Prize
(State Architecture Society of Baden-
Württemberg)

Mehr Infos von:
www.archINFORM.de
Kindergarten Lotharstraße in Stuttgart- Luginsland

BehnischArchitekt: Günter Behnisch

Preis

Stuttgarter Entdeckungen - Das gestrandete Schiff im Weinberg

Von Dirk Herrmann  StN - 24. Dezember 2015

Auf Spurensuche: In unserer Serie „Stuttgarter Entdeckungen“ wollen wir Geschichten aufspüren, die in den vielen Winkeln der Stadt verborgen sind. Wir schauen auf Orte oder Kulturdenkmäler, die sich nicht auf den ersten Blick erklären. Diesmal: Das schräge Schiff in Luginsland.

Stuttgart - Wenn man von der Fellbacher Straße in Luginsland gen Osten abzweigt und zum Ende der Lotharstraße flaniert, taucht das Phänomen plötzlich vor einem auf: ein gestrandetes Schiff in den Weinbergen. In Wahrheit ist das Gebäude natürlich kein Domizil für Kapitän, Steuermann oder Smutje. Vielmehr handelt es sich um die Tageseinrichtung für Kinder in der Lothar­straße. 1990 wurde der Bau fertig, Kindergartenleiterin Christiana Grandel begann dort drei Jahre später. Und die 47-Jährige hat genügend Anekdoten zur Entstehungsgeschichte dieses vom renommierten Architekturbüro Behnisch und Partner entworfenen Bauwerks parat.

Wenn Besucher erstmals in Grandels kleinem Büro im Erdgeschoss Platz nehmen, stellt sich bei vielen von ihnen ein mulmiges Gefühl ein. Sie fühlen sich desorientiert. Alles schepps, alles so schön schräg hier, heißt es. Manchmal sagt eine Besucherin: „Mir wird ganz schwummrig, wie bei der Seekrankheit.“ Die Assoziation ist wenig verwunderlich. Denn tatsächlich sind die Fußböden zwar alle waagrecht. Doch ansonsten ist vieles krumm und schräg, rechte Winkel sind selten, schiefe Ebenen die Regel. Es sieht aus wie ein nach oben zeigender Schiffsrumpf, der gerade aus den Wellen gen Himmel hochsteigt, im Weinberg vor Anker gegangen ist oder gestrandet an einem Felsen liegt – inmitten der umliegenden Mehrfamilienhaussiedlung.

Eine „ausgesprochene Architekturikone“

Die Kunsthistorikerin Anja Krämer, Leiterin des Weißenhof-Museums auf dem Killesberg, bezeichnet in ihrem gemeinsam mit Valérie Hammerbacher geschriebenen Buch „Stuttgart – Architektur des 20. und 21. Jahrhunderts“ (Der Kleine Buch-Verlag, 26,90 Euro) das Gebäude in Luginsland als „ausgesprochene Architekturikone“. In anderen Publikationen wird der Kindergarten als „eines der aufregendsten Beispiele der Gegenwartsarchitektur“ bezeichnet. „Dieser Kindergarten ist einmalig auf der ganzen Erde“, sagt Christiana Grandel, er sei „weltweit bekannt“ und auch schon in japanischen Fachzeitschriften aufgetaucht.

Die Idee zu einem Kindergarten in Schiffsform war Günther Behnisch (1922–2010), der durch seinen Beitrag zum Münchner Olympiapark 1972 weltberühmt wurde, schon deutlich vor dem Luginsländer Experiment gekommen. Denn bereits knapp zwei Jahrzehnte zuvor wurde Behnisch 1973 mit der Planung des Kindergartens der evangelischen Gemeinde Neugereut beauf­tragt.

Er selbst weist in seinen Erinnerungen aus dem Jahr 1994 darauf hin, dass er in Neugereut eine Art Kontrapunkt zu jenem „Massenwohnungsbau“ durch hohe Gebäude aus vorgefertigten Stahlbetonteilen setzen wollte. Ein ausgedientes, weil unrentabel gewordenes Neckarschiff sollte auf den Bauplatz gesetzt und als Kindergarten eingerichtet werden. „Wir meinten, dass Kinder, die in solch einem Kindergarten zwei Jahre verbracht hätten, einfach andere und vielleicht auch bessere Erinnerungen hätten und mit sich ins Leben nehmen könnten als Kinder, die zum Beispiel in einem vorgefertigten Typengebäude untergebracht sind.“ Zwar fand das Team sogar einige passende Modelle. Die Auftraggeber indes fanden die Idee weniger gelungen, so dass das Kindergarten-Schiff in der Versenkung verschwand.

In Luginsland gab’s keine Widerstände

Allerdings nur bis Anfang der 90er Jahre. Denn da kam der Auftrag in Luginsland. „Und plötzlich war das Schiff wieder da“, so Behnisch. „Es schien so, als habe es diese vielen Jahre darauf gewartet, nun in Luginsland, dem Rotenberg, der Begräbnisstätte der Württembergischen Könige gegenüber, in den Weinbergen in hohe See dampfen zu können.“ Und jetzt gab es auch keine Bedenken mehr, alle waren damit einverstanden.

Um Baukosten zu sparen, griff Behnisch statt des ursprünglich geplanten Stahlbetons nun überwiegend auf eine Holzskelettkonstruktion zurück. Für Kindergartenleiterin Christiana Grandel ist Holz „ein sehr schönes Material“.

Sie deutet nach oben, zum aus Wellblech bestehenden Dach, wo sich an zwei Masten das Wappen von Untertürkheim sowie ein Stuttgarter Rössle aus Metall befinden. Zum Haupteingang müssen die Besucher über eine Art Landungsbrücke schreiten. Unter den Treppen befinden sich Kuschelecken, „an der Schräge habe ich mir auch schon den Kopf gestoßen“, sagt sie. Viele Fenster sind rund, „durch diese Bullaugen können die Kinder ihrer Mama winken“. Da er am Hang und in südöstlicher Richtung liegt, ist es meist auch sehr hell im Kindergarten.

Manche Kollegen waren weniger begeistert

Behnischs Kollegenzunft äußerte aber nicht nur Begeisterung. Architekt Peter Hübner, der vor mehr als 20 Jahren in der Mörikestraße in Stuttgart-Heslach seine Idee von hölzernen Starenkästen als Kindergarten umgesetzt hatte, erklärte einmal recht kritisch zur Umsetzung in Luginsland: „Das ist die Vorspiegelung einer falschen Welt. Und Kinder wollen auch nicht immer nur Schiff spielen.“ Etliche Auszeichnungen konnte das Schiff dennoch einheimsen, so 1991 den Hugo-Häring-Preis oder 1992 den Deutschen Holzbaupreis.

Kindergartenleiterin Grandel jedenfalls ist mehr als zufrieden: „Das ist ein toller Arbeitsplatz für uns und auch ein schöner Platz für die Kinder.“ Wenn hinter Rotenberg die Sonne aufgehe, man die Grabkapelle durch die Zweige erkenne, die Vögel umherflattern oder die Eichhörnchen durch den Garten der Einrichtung huschen sehe, da gehe einem doch das Herz auf.

26 der in unserer Zeitung veröffentlichten Beschreibungen sind als Buch erschienen: „Stuttgarter Entdeckungen“, 160 Seiten, 100 Fotos und Karten. Silberburg-Verlag Tübingen und Karlsruhe. Hrsg.; Stuttgarter Nachrichten, 14,90 Euro.

Hintergrund

Luginsland:

1911 gründeten neun Daimler-Mitarbeiter die Baugenossenschaft Luginsland „Gartenstadt eigenes Heim“. Der Begriff Gartenstadt entstand wegen des genossenschaftlichen Prinzips und der typischen Bebauung mit kleinen Reihenhäusern jeweils mit Vorgärten für Obst- oder Gemüseanbau. Ziel der Genossenschaft war es, dem Wohnungsmangel im Umfeld der 1903 nach Untertürkheim umgezogenen Daimler-Motorenwerke abzuhelfen.

1913 waren die ersten Häuser fertig. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte wurden die Baulücken zwischen Luginsland und dem historischen Kern von Untertürkheim vollständig geschlossen.

Am 30. November 1944 wurden zehn Mitglieder der kommunistischen Widerstandsgruppe Schlotterbeck aus Luginsland im KZ Dachau ermordet. Kopf der Gruppe war Friedrich Schlotterbeck. Eine Gedenktafel in der Annastraße 6 in Luginsland und eine Gedenkstätte im Friedhof Untertürkheim erinnern an die Getöteten.

1969 wurde die vom Stuttgarter Architekten Heinz Rall konzipierte Neue Gartenstadtkirche in der Barbarossastraße eingeweiht. Die Kirche liegt inmitten von Gärten und Grünflächen wie eine Skulptur aus hellen, geometrischen Körpern mit abgerundeten Ecken.

Heute hat Luginsland, das zum Stadtbezirk Untertürkheim gehört, circa 2800 ­Einwohner.

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